Fahrrad

Herausforderungen und Möglichkeiten

Im klassischen Arbeiterrevier Ruhrgebiet spielte von 1890 – 1950 der Fahrradverkehr eine herausragende Rolle. Hier lag die Wiege der organisierten Fahrradbewegung mit der Arbeitersolidarität und sehr aktiven Radsportvereinen.
Das Fahrrad hatte Marktanteile zwischen 30 und 40 % an allen Fahrten und Wegen. Überall gab es Fahrradwachen und große Abstellanlagen an den Werken. Wenn die großen Werke Schicht machten, dann nahmen Tausende Arbeiter ihre Fahrräder und fuhren in großen Pulks nach Hause oder zum Sportplatz oder zur Kneipe.
Autos gab es kaum und wenn, waren sie so deutlich in der Minderzahl, dass sie die Macht der Radfahrer respektierten.

Durch die Entwicklungen zum MIV-dominierten Verkehr stürzte der Fahrradverkehr im Ruhrgebiet auf beschämende Minimalwerte um 3 % ab. Die meisten Radwege wurden zu Parkstreifen und KFZ- Fahrbahnen umgewidmet. Fast alle Fahrradwachen wurden aufgegeben. Das Fahrrad galt in der Politik und der Wirtschaft als überholtes Verkehrsmittel, obwohl der Fahrradbesitz im Ruhrgebiet weiter hoch blieb. Das benachbarte Münsterland dagegen konnte bei vergleichbaren Ausgangsbedingungen seinen hohen Fahrradanteil erhalten, teilweise sogar steigern auf den zehnfachen Marktanteil des Ruhrgebiets. Das Münsterland wurde im Freizeitverkehr der Ruhrgebietsbevölkerung zur bevorzugten Zielkulisse für Pättkesfahrten und Schlössertouren. (Monheim 2011)

Dennoch hat die Metropole Ruhr mittlerweile ein hochwertiges Regionales Radwegenetz, orientiert an den Regionalen Grünzügen im Emcher Landschaftspark und an den Flussläufen Rhein, Ruhr, Emscher und Lippe, primär für den Freizeit-und Tourismusverkehr. Der RuhrtalRadweg und Route der Industriekultur per Rad bilden das Grundgerüst des regionalen Netzes.

Für den Alltagsverkehr gibt es bislang keine attraktive regionale Verbindung (Martin Tönnes/ Ulrich Heckmann 2012)

Beispiele aus NL, DK und London zeigen, dass Radschnellwege für Alltagspendler durchaus eine attraktive Alternative darstellen und eine spürbare Entlastung von den negativen Auswirkungen des MIV zeigen, Reduzierung von Staus und Verringerung des ruhenden Verkehrs können erreicht werden.

Drohender MIV-Kollaps und Erweiterung des stehenden MIV, sowie das wachsende Mobilitätsbedürfnis und die leeren öffentlichen Kassen zwingen zum „Straßenersatz“; Fahrräder werden schneller und besser; der gesundheitliche Begleitaspekt führt zur Abnahme der Krankenkosten.

Das alles lässt Radschnellwege zu einer sinnvollen Ergänzung zum ÖPNV und damit auch zu einer Entlastung der Straßen in der Region werden. Entscheidend ist, dass der Bau durchgehender attraktiver Radwege die höchste Priorität hat, da hier die größten Effekte zur Verlagerung von Verkehrsströmen zu erwarten sind.

Netz und Infrastruktur müssen zukünftig, um den veränderten Funktions- und Leistungsansprüchen eines stetig wachsenden und z.T. beschleunigten Radverkehr in der kommunalen Praxis zu genügen, deutlich erweitert bzw. verbessert werden.

Der Radverkehr in der Masse kann nur mit zentral durchgängigen und leistungsfähigen Velo-Routen sicher, effizient und mit dem notwendigen Fahrkomfort abgewickelt werden.

Radverkehrsplanung reduziert sich im Verständnis vieler Politiker immer noch auf den Bau straßenbegleitender Radwege, ergänzt durch einige Radfahrstreifen und komplettiert durch den gelegentlichen Einbau von Fahrradständern. Dabei ist moderne Radverkehrsplanung heute eine hochkomplexe Herausforderung mit vielen zu kombinierenden Bausteinen und Maßnahmenelementen ( AGFS: Nahmobilität 2.0. Krefeld 2012)

In der Stadt Münster werden bereits 38% aller Wege mit dem Fahrrad zurückgelegt.
In der Stadt Essen sind es gegenwärtig nur 4%. Würden alle Wege bis zu zehn Kilometer innerhalb von Essen mit dem Pedelec statt mit dem Auto zurückgelegt werden, könnten bis zu 25% der CO2 -Emissionen aus dem Verkehrssektor eingespart werden.

Fahrradschnellwege, die in die Innenstadt führen, werden von fast jedem zweiten Befragten befürwortet. (Institut für Stadtplanung und Städtebau, Essen-Duisburg 2013).